Mit ihren Aktion zum Thema Umweltschutz hatten die Aktivisten der "Letzten Generation Österreich" zunächst die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.Letzte Generation Österreich

Sind wir wirklich die "letzte Generation"?

Vor lauter Ärger über das Fest-Gepicke der „letzten Generation“ quer durch Österreich vernebelt sich der Blick auf das, was diese Gruppe tatsächlich vermitteln wollte: Wir sind die letzte Generation, die das Kippen des Welt-Klimas verhindern kann...

WELT/ÖSTERREICH (cm) Mit ihren Aktionen zum Thema Umweltschutz hatten die Aktivisten der "Letzten Generation" zunächst die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Sie kleben sich auf Straßen und Autobahnen fest. Sie schütten Lebensmittel auf wertvolle Kunstwerke...

Hass und Ärger statt Verständnis und Umdenken...

Heute haben die teils arbeitslosen Pick-Touristen nur noch den Ärger und den Hass der Masse: Staus, Verspätungen, ja sogar Gefährdung von schwerst Verletzten oder Patienten. Das ist die Bilanz des Fest-Gepickes. Und natürlich Aufmerksamkeit... Warum hierfür sogar Akitivisten aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland anrücken, erschließt sich nicht: Eine Art sinnbefreiter "Klima-Kleber-Tourismus", der abzulehnen ist. Das eigentliche Ziel des Umweltschutzes rückt durch die Aktionen in den Hintergrund.

Die letzte Generation?

Die "Letzte Generation" will mit ihrem Namen andeuten, dass die Menschheit bald aussterben wird, wenn der Klimawandel und die Erderwärmung nicht gestoppt werden.

ROKU-Interview mit Klima-Forscher Prof. Dr. Nicolussi

Der ROFAN-KURIER hat zum Thema mit a.o. Univ-Prof. Dr. Kurt Nicolussi von der Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck gesprochen.

Der ROFAN-KURIER sprach zum Thema mit Klima-Forscher Prof. Dr. Kurt Nicolussi von der Universität Innsbruck. © Franz Oss

ROKU: "Herr Dr. Nicolussi, was sagen Sie zum Thema Klimawandel im Alpenraum?"
NICOLUSSI: "Nun... Man kann auch in Tirol ganz klar einen Klimawandel erkennen, der nichts mit den herkömmlichen Schwankungen zu tun hat. Das sieht man auch anhand der Messungen, die wir im Alpenraum für die letzten 250 Jahre haben."

ROKU: "War es früher schon einmal so warm im Alpenraum?"
NICOLUSSI: "Eigentlich nicht. Wir können das auch mit den Jahresringen der Bäume rekonstruieren: In den letzten 2.500 Jahren war es nie so warm, wie im letzten Jahrzehnt."

ROKU: "Wie hat sich das Klima im Alpenraum entwickelt?"
NICOLUSSI: "Die warme Römer-Zeit ging im 4. bis 5. Jahrhundert zu Ende. Im Frühmittelalter sehen wir Gletscher-Vorstöße, 900 bis 1260 dann eine mittelalterliche Klima-Anomalie mit relativ warmen Mitteln, von 1260 bis etwa 1860 eine kleine Eiszeit.  Wir haben gegenüber der Vorindustriellen Zeit im 18. Jh. einen Anstieg von etwa 2 Grad, je nachdem, welche Saison man beobachtet. Das ist gegenüber früher doch sehr bedeutend: Es zeigt sich in der Gletscher-Schmelze und bei den Hitzewellen! Die Fichten in den tieferen Lagen mögen das nicht. Sie werden alle verschwinden..."

ROKU: "Wie gravierend ist eine solche Erwärmung?"
NICOLUSSI: "Wenn man liest: Die Erde um 1,5 Grad wärmer… klingt das nicht viel. Aber vor 25.000 Jahren, bei der letzten Eiszeit, war es nur um 4 oder 5 Grad kälter! Damals lag aber der Meeresspiegel um 120 m niedriger. Durch die Erwärmung der Ozeane gibt es jetzt eine thermische Expansion der Meere, das Abschmelzen der Eisschilde und das Schmelzen der Gletscher. Was dadurch passieren wird, weiß man in Wahrheit noch gar nicht. Das ist eine längerfristige Entwicklung und in Wahrheit sind wir alle derzeit Teil eines großen Experiments..."

Die Grafik des Umwelt-Bundesamtes zeigt: Während CORONA ging der CO2-Ausstoß zurück. Jetzt steigt er wieder über das Vor-Corona-Niveau. © Umweltbundesamt

ROKU: "Sind wir tatsächlich die "letzte Generation"? Sterben wir aus, wenn wir JETZT nichts ändern?"
NICOLUSSI: "Aussterben werden wir nicht. Aber es wird sich sehr vieles ändern! Wir sind definitiv die letzte Generation, die mit relativ wenig Aufwand etwas bewirken kann… Technische Lösungen sind zwar gut, aber niemand weiß, ob eine technische CO2-Lösung wirklich funktionieren wird."

ROKU: "Was sind die gravierendsten Auswirkungen des Klima-Wandels im Alpenraum?"
NICOLUSSI: "Das sind Felsstürze und Bergstürze – durch das Auftauen der Permafrostböden. Damit wird Material, das bisher fixiert war, mobil und stürzt ab. Bergpfade müssen sogar deshalb gesperrt werden. Wir werden noch mehr Wetterextreme erleben: Eine wärmere Atmosphäre nimmt mehr Feuchtigkeit auf – damit gibt es mehr Niederschlag auf einmal. Und die Gletscher werden verschwinden..."

ROKU: "Österreich ist für 0,2% der Treibhausgase der Welt verantwortlich. Bringt es was, wenn wir uns anstrengen?"
NICOLUSSI: "Die westlichen Industrie-Staaten haben den CO2-Rucksack angefangen aufzubauen. Langfristig ist es besser, bei der Lösung vorne dabei zu sein, als hinterher "heilen" zu müssen. Wer als Industrie-Staat weiterkommen möchte, muss innovativ sein."

ROKU: "Wie hat sich unser CO2-Niveau entwickelt?"
NICOLUSSI: "Unser CO2-Niveau ist massiv gestiegen: Wenn man in der Vergangenheit zurückblickt, dann sehen wir ein derartiges CO2-Niveau zuletzt vor etwa drei oder vier Mio. Jahren – allerdings bei komplett anderen Umweltbedingungen. Was wir hier aktuell machen, ist in Wahrheit ein großes Geo-Experiment – mit ungewissem Ausgang für den Einzelnen. Für die Erde selbst ist es eher egal. Sie kann sich in einigen tausend Jahren völlig verändert darstellen, wird aber noch immer hier sein..."

ROKU: "Wir danken für das interessante Interview!"

Prof. Nicolussi verweist zusätzlich auf die IPCC-Reports.

Autor: Mag. Christian Mück, Rechte: MP MEDIA & POWER GmbH - ROFAN-KURIER


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