Weratschnig: "Zuwanderung wichtiges Thema"
Die Nationalrats-Wahl 2024 brachte einige Veränderungen mit sich. Einer der ganz großen, ein echter Politik-Veteran der GRÜNEN, Hermann Weratschnig, musste mit Ende Oktober seinen Nationalrats-Sitz räumen. Der ROFAN-KURIER bat ihn zum (vorläufigen) Abschieds-Interview.
TIROL Der Schwazer Hermann Weratschnig ist das, was die GRÜNEN bräuchten, um bei den Menschen wieder jene Akzeptanz zu finden, die sie einst hatten. Weratschnig ist Kämpfer für Demokratie, freie Meinungs-Äußerung und Natur, für die Umwelt und gegen den Transit. Doch wie das Leben so spielt: Eben dieser Vollblut-Umweltschützer und Pragmatiker fliegt jetzt aus dem Nationalrat.
ROKU: "Das ist vorläufig unser letztes Interview mit Hermann Weratschnig als Nationalrat..."
WERATSCHNIG: "Ja, leider. Wir hatten in Tirol etwas über 8% der Wähler-Stimmen. Wir hätten 12,5% gebraucht, um zwei Abgeordnete nach Wien zu schicken."
ROKU: "Wir haben vor der Wahl telefoniert und über dieses Szenario gesprochen. Hattest Du das schon am Schirm?"
WERATSCHNIG: "Ehrlich gesagt: Nein. Im Wahlkampf ist man in einer Blase. Vom Umfeld und Bekannten bekommt man viel Zuspruch, man verliert etwas den Bezug zur Ist-Situation. Ich war der Meinung, wir könnten es schaffen. Aber es kam anders..."
ROKU: "Warum denkst Du, haben die GRÜNEN fast die Hälfte ihrer Wähler verloren?"
WERATSCHNIG: "In den Städten haben viele GRÜNE die SPÖ gewählt, weil von denen der Kampf gegen die FPÖ ausgerufen wurde... Und es gab diesmal doch mehr Angebot links der Mitte. Man muss aber ganz klar sagen: So ein Ergebnis ist durchaus Anlass zur Selbstkritik! Man muss hier personell wie inhaltlich Konsequenzen ziehen..."
ROKU: "Waren taktische Gründe die einzigen für die herbe Niederlage?"
WERATSCHNIG: "Nein... Unsere Partei ist zu sehr zu einem theoretischen Arbeitskreis geworden. Zu weit weg von den Menschen. Wir brauchen wieder konkreten Umweltschutz! Man muss auch nicht um den heißen Brei reden: Eines der wichtigsten Themen für die Menschen ist die Zuwanderung, die Integration. Da hilft leugnen oder ignorieren halt wenig. Ich sage: Wer zu uns kommt, muss vom ersten Tag an arbeiten. Das schreckt manche, die in den Sozialstaat zuwandern wollen, vermutlich auch ab. Wir brauchen legale Bleibe-Möglichkeiten, einen effektiven Schutz der EU-Außengrenze UND man muss auch gescheite Rückführungs-Abkommen mit jenen Ländern machen, aus denen die Leute kommen. Das schließt die Taliban in Afghanistan nicht aus..."
ROKU: "Das Migrations-Thema wird uns noch Generationen lang begleiten. Kann man seine Bevölkerung als EU-Staat überhaupt schützen?"
WERATSCHNIG: "Die EU kann alles mit Verordnungen regeln, was unser Leben betrifft. Dann soll sie endlich auch die Verteilung der Migranten regeln. Es kann nicht sein, dass Staaten wie Österreich in diesem Bereich die Hauptlast stemmen. Wir brauchen einen Europa-Verteilschlüssel mit Bonus-Malus-System."
ROKU: "Du sprichst einige Sachen recht klar an, was viele in deiner Partei vermeiden..."
WERATSCHNIG: "Wegschauen hilft unserer Partei nicht, wie das Ergebnis zeigt. Wir müssen auch erkennen, wo die Probleme der Menschen sind, die Lebens-Realitäten akzeptieren und Probleme ansprechen. Gerade auch im Asylbereich. Wir werden auch nicht in jedes Seitental einen 15-Minuten-Öffitakt schaffen. Auch das muss man akzeptieren..."
ROKU: "Wie geht es für Dich jetzt weiter?"
WERATSCHNIG: "Das steht noch nicht fest. Ich werde mich bis Ende 2024 beruflich neu orientieren. Immerhin habe ich eine Familie zu erhalten. Ich werde mich aber auf jeden Fall weiter für die Menschen im Unterland stark machen. Ich bin aktuell im Schwazer Gemeinderat für Mobilität zuständig. Meine Bezirks-Funktion bei den GRÜNEN ist ehrenamtlich. Die Anteile an einer Immo-Firma habe ich bereits abgegeben, wobei ich hier noch als gewerberechtlicher Geschäftsführer in Teilzeit fungiere."
ROKU: "Könnte man Dich eventuell wieder im Landtag sehen?"
WERATSCHNIG: "Das ist aktuell noch kein Thema, aber zumindest wäre das möglich."
ROKU: "Was hältst Du vom Vorzugsstimmen-Wahlkampf? Ist das nicht eine augen-auswischerei, weil aktuell keine Partei die Reihung der Kandidaten wegen Vorzugsstimmen ändert?"
WERATSCHNIG: "Ich finde das System gut – und würde ihm auch mehr Gewicht geben! Natürlich haben die Parteien mit der (freiwilligen) Möglichkeit, dass jemand die anderen mit Vorzugsstimmen überholt, nicht immer eine Freude. Die ÖVP hat das System abgeschafft, weil man Angst hat, dass dann nur noch Bauern in den Gremien sitzen! Die haben nämlich die treuesten Wähler. Ich persönlich fände es gut, wenn die Vorzugsstimmen etwas bewirken. Man kann sagen, dass das "Populismus" ist. Aber ich sage: Vorzugsstimmen-Wahlkämpfe sind ein Wahl-Turbo, der Menschen in die Wahlkabine bringt, die ansonsten nicht wählen würden. Das ist gut für die Demokratie."
ROKU: "Welches Thema ist Dir ein besonderes Anliegen?"
WERATSCHNIG: "Ganz klar die Mobilität und der Verkehr. Wir brauchen hier dringend die Dekarbonisierung. Die Fußwege müssen attraktiv und sicher sein. Und auch die Radwege. Wie kommen Tausende Menschen künftig von A nach B? Da braucht es kreative Ansätze. Ein super Beispiel sind da die Bahnhöfe, wie der Bahnhof in Brixlegg! Da ist extrem viel Frequenz und das funktioniert auch, wenn es Fahrrad-Abstell-Plätze und Park- und Ride-Parkplätze gibt."
ROKU: "Danke für das Gespräch und weiterhin alles Gute!"